Polemos panton pater ???–


{Der Krieg (ist) der Vater/Ursprung/Anfangsgrund aller (Dinge)}

??????

Huch, und so etwas auf einer Friedensseite????

Nun, es gibt drei Möglichkeiten, diesen Ausspruch, der vom immer etwas schwierig sich ausdrückenden Heraklit stammt, zu „entschärfen“:

Zum einen geht das Zitat im Original weiter; aber leider scheint mir gerade diese Fortsetzung eher zu dem Sinn zu passen, den man als erstes vermutet: der Krieg ist dasjenige, was alles bewegt.

Zum anderen kann man den Inhalt als Beschreibung eines der Natur innewohnenden Dualismus sehen, ähnlich dem Yin-Yang-Prinzip: wenn nicht alles auf Gegensätzlichkeiten aufgebaut wäre, gäbe es keine Bewegung.

Schließlich kann man es auch im Sinne der Beschreibung eines beschleunigenden Faktors auffassen, und in dieser Richtung möchte ich das Sprichwort hier auch schöpferisch deuten, um damit mehr von unserer jetzigen Situation zu begreifen.

Beschleunigung

  • Da können mal eben so 100 000 000 000 Euro ausgegeben werden, als Extraordinarium, neben dem normalen (ordinären) Haushalt
  • Da beschließt die EU mal eben ein 300 000 000 000-Euro- Paket für erneuerbare Energien
  • Da werden mal eben mitten in einer Krise zwei neue Mitglieder in die NATO aufgenommen, beschleunigt
  • Da sollen auf einmal möglichst beschleunigt – prestissimo – neue Staaten in die EU aufgenommen werden
  • Da beschließen alle NATO-Staaten – jeder für sich – erhebliche Steigerungen der Militäranstrengungen, obwohl der Gegner Schwierigkeiten hat einen kleineren Gegner niederzuringen
  • Da gelten plötzlich keine Fristen mehr für Planfeststellungsverfahren oder sonstige Kriterien für Neu-Errichtungen, siehe die Windräder
  • Da verspricht die NATO-Führungsmacht der angegriffenen Ukraine mal eben 40 000 000 000 Dollar, also das gut Sechsfache des normalen (ordinären) Militärhaushaltes dieser Ukraine.

All dies und noch viel mehr ist jetzt plötzlich möglich.

Auslöser: der Krieg zwischen Russland und der Ukraine.

Unser erstes Ergebnis ist also: der Krieg macht viele Entwicklungen, die sonst an langwierige Regelungen/Gewohnheiten/Sitten gebunden wären, in sehr schneller Zeit möglich. Und zwar in unserem Falle hier wie auch sehr häufig in der Geschichte, besonders der modernen.

Der Krieg also als Beschleuniger!

Das mag noch angehen für die Zeit vor der Atomwaffe, spätestens seit 1945 MUSS die Menschheit sich anders orientieren.

Der Vorschlag dieser Seite „Friedens-Führung“ ist deshalb, dass man

der Entstehung von Krisen mit derselben Energie, die hinter einer solchen Beschleunigung steht, voraussehend entgegenwirkt.

Also: im Frieden für bestimmte Krisenvorsorgen, Krisenpräventionen, schon diejenige Energie aufbringen, die der Mensch sonst eben erst dann aufbringt, wenn Krieg „herrscht“. (Seltsam: Krieg „herrscht“, Frieden „ist“)

Warum ist das erst im Krieg der Fall?

Der Mensch hat über Jahrtausende in seinen Instinkt aufgesogen, dass er sich dann besonders anstrengen müsste, wenn er durch andere Menschen gewaltsam bedroht wurde. Dabei entsteht eine ganz besondere Intensität, die ihren Ursprung hat in der auf das Leben der Gruppe zielenden Bedrohung.

Diese jeweils mit Erscheinen des Krieges entstehende besondere Intensität ist nicht nur das Eldorado der Bellizisten, sondern wurde auch von Pazifisten, so z.B. von Bertha von Suttner beschrieben – von ihr allerdings als ein Faktor, der die Menschen in ihrer Vernunft blendet.

ICH möchte hier gerade denjenigen zitieren, der den chamäleon-artigen Charakter des Krieges in einfachen Worten, aber gedankentief beschrieben hat: CLAUSEWITZ.

Er spricht ganz am Anfang des Werkes von drei Wechselwirkungen, die dem Krieg seine Intensität verleihen:

  1. Der Krieg als „äußerste Anwendung der Gewalt“

„(…) Wir wiederholen also unseren Satz: der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen; so gibt jeder dem anderen das Gesetz, es entsteht eine Wechselwirkung, die dem Begriff nach zum äußersten führen muß. Dies ist die erste Wechselwirkung und das erste Äußerste, worauf wir stoßen.“

  1. Der Krieg als Versuch, den „Feind wehrlos zu machen“:

„Nun ist der Krieg nicht das Wirken einer lebendigen Kraft auf eine tote Masse, sondern … der Stoß zweier lebendiger Kräfte gegeneinander, und was wir von dem letzten Ziel der kriegerischen Handlung gesagt haben, muß von beiden Teilen gedacht werden. Hier ist also wieder Wechselwirkung. Solange ich den Gegner nicht niedergeworfen habe, muß ich fürchten, dass er mich niederwirft, ich bin also nicht mehr Herr meiner, sondern er gibt mir das Gesetz, wie ich es ihm gebe. Dies ist die zweite Wechselwirkung, die zum zweiten Äußersten führt.

  1. Der Krieg als „äußerste Anstrengung der Kräfte“

Clausewitz folgert aus dem Ziel der Niederwerfung eine äußerste Anstrengung beim Gegner nicht niedergeworfen zu werden. Dies annehmend, unternimmt man selbst die äußersten Anstrengungen um ihm genau dies zuzufügen. „Aber dasselbe tut der Gegner; also neue gegenseitige Steigerung, die in der bloßen Vorstellung wieder das Bestreben zum Äußersten haben muß. Dies ist die dritte Wechselwirkung und ein drittes Äußerstes, worauf wir stoßen.“

aus: Clausewitz, Carl v: Vom Kriege. Hrsg. W. Hahlweg. Bonn (Dümmler Verlag) 1973 (18), S. 192-195. (Sperrungen aus dem Original übernommen, Fettdruck von mir eingefügt)

Wir finden hier also beim Klassiker des Nachdenkens über „KRIEG“ drei Mal Faktoren, die Intensität hervorbringen: es entsteht zwischen den Beteiligten eine bis aufs Äußerste gesteigerte gegenseitige Beeinflussung („Wechselwirkung“). Da diese der Natur nach fast alle Menschen auf beiden Seiten erfasst (wegen der immanenten Bedrohung), beschleunigen alle ihre Tätigkeiten über das im Frieden gewohnte Maß.

So lässt sich die an sich irrationale plötzliche Beschleunigung von bisher vor sich her geschobenen Maßnahmen erklären.

Ein Zeichen für weise Führung aus einer rationalen Lagebeurteilung der Gesellschaften als Ganzes ist es nicht.

Exkurs zu den Clausewitz-Zitaten: Wer sich noch nicht mit Clausewitz‘ Denkmethode befasst hat, sollte wissen, dass die drei Zitate aus der dualen Betrachtungsweise verstanden werden müssen. Clausewitz analysiert in den drei Zitaten den Krieg nach dem einen Pol der philosophischen Vorstellung (Was ist in einer Sache ihrer Natur nach angelegt?; im Text: „dem Begriff nach“, „in der bloßen Vorstellung“). In den darauf folgenden Kapiteln nennt er all die Faktoren, die dieser Tendenz zum Äußersten in der jeweiligen historischen Realität entgegen-wirken). Für das Empfinden der Menschen direkt vor oder in einem Krieg ist aber gerade die philosophisch betrachtete Steigerung der Bedrohung bis zum Äußersten gültig.

Fazit

Das Fazit für unser Thema der „Friedens-Führung“ wäre, dass man die menschlichen Anstrengungen in der „Führung“ des „Friedens“ vor Eintreten des Krieges und der Kriegs-Bedrohung so intensivieren müsste, dass der Kriegs-Führungs-Fall nicht eintritt.

Das verlangt imperativ die Existenz der Atomwaffen mit ihrer Möglichkeit der pankosmischen und pandemischen Zerstörung.

Warum wäre präventive Beschleunigung so wichtig???

Hierfür gäbe es ein ganz einfaches Beispiel: Die Klimaveränderungen führen dazu, dass immer mehr menschliche (und tierische) Populationen an ihren angestammten Siedlungsgebieten nicht bleiben können und – sich auf die Suche nach neuen Heimstätten machen müssen.

Da aber im Gegensatz zu vielen Zeiten der Geschichte fast alle Räume auf der Erde schon menschlich besetzt sind, entstehen aus den Migrationen Konflikte mit denjenigen, die den knappen Platz mit seinen knappen Ressourcen schon vorher besiedelt haben. Das sind materielle Zwänge, die man dann, wenn sie eingetreten sind, ohne Gewalt kaum noch lösen kann. Auch mit der besten „Friedens-Führung“ nicht.

Nein, Friedens-Führung heißt hier:

  • Vorbeugung, damit solche Zwänge gar nicht eintreten, oder
  • Einsatz derjenigen Energie, die sonst für Kriege aufgewendet werden.

Was hier am Beispiel von Siedlungsgebieten kurz geschildert wurde, gilt natürlich auch beim Kampf um Wasser, und bei allen anderen Faktoren der Klimaveränderung.

Für den konsequenten Einsatz dieser Energie sind finanzielle, wirtschaftliche, humane, technische Ressourcen notwendig, die – ähnlich wie beim Krieg – MOBILISIERT werden müssen. Wenn Krieg oder die Rüstung hierfür all diese Ressourcen geschmälert oder vernichtet hat, potenzieren sich die – eben nicht bekämpften – Auswirkungen der Klimaveränderung.

(P.S. Ich habe bisher neutral „Klimaveränderung“ formuliert. Mittlerweile weisen alle Indikatoren auf eine exponentiell wachsende Klimakatastrophe hin! Oder, um es mit Clausewitz zu sagen: der Gegner – also die vom Menschen geschaffene Klimakatastrophe – bedroht uns Menschen bis zum Äußersten; darauf müssen wir mit einer Anstrengung unsererseits bis zum Äußersten antworten. Nur, dass es im Kampf gegen die Klimakatastrophe keinen Krieg mit der Natur unsererseits mehr geben darf, also nicht so weiter gehen darf, wie es bisher der Fall war. Es muss im Gegenteil der Natur geholfen werden, sich nicht exponentiell steigernd gegen die Menschheit zu wenden.)