Zwei Denkmodelle und ein reales Modell
Ja, die Überschrift deutet hin auf das überaus bekannte lateinische Motto:
Si vis pacem, para bellum – Wenn du (den) Frieden willst, bereite (den) Krieg vor. Das Motto fasst in dieser Prägnanz all das zusammen, was Befürworter von Aufrüstungsmaßnahmen für ihr Ziel anführen. Abgewandelt diente er ja sogar als Verkaufs-Slogan: ich meine die Marke für Handfeuerwaffen und ihre Namensidee: „Parabellum“(=para bellum).1
Wenn man einer linearen Logik folgt, scheint das Motto ja auch zu stimmen. Wenn man unbewaffnet und ungerüstet einem bösen Gegner gegenübertritt, so wird man nach der Gewaltlogik verlieren.
Komplizierter wird die Sache schon, wenn man das anwendet, was Clausewitz im ersten Kapitel des ersten Buches2 seines Standardwerkes „Vom Kriege“ als Ur-Vorstellung vom Krieg nennt: der Zweikampf. Damit kommen wir zu einer einfachen dialektischen Betrachtung.
In unserem Falle müsste dieser Zweikampf– im Unterschied zum ersten Beispiel oben zwischen dem Gerüsteten und dem Unbewaffneten – ein Zweikampf zwischen zwei Gerüsteten sein.
Wenn der eine X also sich eine neue Panzerung zum Schutz anschafft, so müsste der andere Y sich eine ebensolche Panzerung anschaffen – oder eine Angriffswaffe, die die neue Panzerung des ersten X überwindet. Wenn dann X diese Aufrüstung seines Gegners Y bemerkt, müsste er entweder seine Panzerung verstärken oder eine Gegenwaffe zu der Angriffswaffe seines Gegners Y erfinden/kaufen/bauen.
Sie meinen, dass das Ganze etwas an Lächerlichkeit grenzt, weil ja irgendwann beide so überladen mit aktiven und passiven Rüstzeug sein werden, dass sie von selbst zusammenbrechen? — Einerseits haben Sie Recht, denn wenn man dieses Denkmodell des Zweikampfes nur bis hier in der Vorstellung als Modell denkt und es dann auf einen realen Rüstungswettlauf zwischen Staaten überträgt, so kommt man leicht zu dem Punkte, wo einer der beiden rein ökonomisch (oder technisch) nicht mehr mithalten kann. Gibt der so „Unterlegene“ dann auf oder greift er den immer weiter Aufrüstenden dann präventiv an?
Hier haben Sie – in nuce = in Miniatur – die ganze Problematik eines ungesteuerten Rüstungswettlaufes: entweder als lineares Modell oder als dialektisches Modell
Zwischenstand:
Von der einseitig gedachten Parabellum-Denkweise waren wir zum Denkmodell des Zweikampfes gekommen. Wir hatten da schnell bemerkt, dass zwei Gegner mit der Parabellum-Denkweise schnell an Kapazitätsgrenzen oder an die Vernichtung kommen, wenn sie sich nicht in irgendeiner Weise über ihre Rüstungen verständigten. Damit kommen wir zum „geregelten“ Rüstungswettlauf, wobei dieser in der Realität bisher immer mit Friktionen behaftet war.
Ein tatsächlich stattgefundener geregelter Rüstungswettlauf
Diesen will ich hier nicht ausführlich schildern, sondern nur in 2 Abschnitten andeuten, in welcher Richtung ich argumentiere.
Bis 1989, von der Cuba-Krise an, haben die damaligen Supermächte UdSSR und USA, ein System eines geregelten Rüstungswettlaufes entwickelt. Dies taten sie, weil sie in der Cuba-Krise beide gemerkt hatten, wie schnell zwei Hochgerüstete durch Zufälle oder Zwischenfälle in eine Situation kommen können, in deren Konsequenz sie sich gegenseitig vernichten würden.
Diese Beiden haben also, wenn wir sie wieder in das Denkmodell des Zweikampfes zurückversetzen, angefangen, sich gegenseitig geplante Aufrüstungen zu signalisieren und vollzogene Aufrüstungen zu kontrollieren.
Im nächsten Artikel möchte ich Ihnen zwei historische Quellen hochrangiger Autoren präsentieren, die die obige Problematik schon beschrieben haben.
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1Wer die Sinnschöpfungs-Experimente rund um dieses Wort kennenlernen will, lese den Wikipedia-Artikel zum Sprichwort, wo auch schon eine der Friedenslogik entsprechende Fassung von 1862 vorkommt.
2Dies ist das einzige Kapitel, was Clausewitz selbst als vollendet und seinen Vorstellungen entsprechend bezeichnet.