(11. Oktober 2022)
Heute Abend(11.10.) in „Heute“: Ulf Röller, Korrespondent mit wenig vergeistigtem Aussehen, informiert, dass die G7 auf die „Eskalation“ Russlands mit „unnachgiebiger Härte“ reagierten. Weiter in diesen Nachrichten, dass NATO Atomkriegsmanöver abhält – so wie jedes Jahr. Und natürlich werden die „Kräfte“ in Nord- und Ostsee verstärkt.
Ich stelle mir gerade vor, Ulf Röller hätte im Juli 1914 über den britischen Vorschlag einer Konferenz der europäischen Großmächte zur Antwort Österreich-Ungarns auf die Ermordung des österreichischen Thronfolgers berichtet: ‚Das deutsche Reich reagiert mit unnachahmlicher Härte auf den hinterhältigen Vorschlag aus London. Deutschland werde nicht zulassen, dass sich sein Verbündeter von einem europäischen Forum in irgendeiner Form in seiner Souveränität eingeschränkt würde. Deutschland stehe unverbrüchlich zu Österreich.‘
Ja, auch 1914 hatte die kaiserlich deutsche Regierung keine Mitsprache bei der Planung der österreichischen Antwort auf das Attentat verlangt, sondern einfach einen „Blankoscheck“ ausgestellt.
Von den Regierungen in den verfeindeten Lagern höre ich nur diese „Unnachgiebigkeit“, keine Vorschläge. Gut, außer dem Selenskys, man könne mal über ‚nen Waffenstillstand nachdenken, WENN Russland sich zuvor aus allen besetzten Gebieten, inklusive Krim, zurückgezogen habe.
Achtung: Selbst 1918, nach 4 Jahren Gemetzel und Zerstörung, konnte am 11.11. ein Waffenstillstand geschlossen werden, OHNE dass sich die deutsche Armee VOR dessen Inkrafttreten komplett aus Frankreich und Belgien hätte zurückziehen müssen.
Also, Herr Selenskyj, da fehlen ja jedwede Maßstäbe!!!!
Während also alle Regierungen weiter ihre Show der unnachgiebigen alten Männer abziehen, höre ich aus dem zivilen Raum hier in Deutschland unzweideutige Warnungen vor weiterer Eskalation und – ich höre vernünftige Ideen zum Eintritt in eine Deeskalation.
Zuerst die Warnung: Heribert Prantl, bekannter Redakteur der Süddeutschen Zeitung, mahnt in diesem Link:
Dann bekam ich gerade das neueste Heft von „Ohne Rüstung leben“ (wobei ich persönlich das ‚ohne Rüstung‘ wirklich nur als Fernziel ansehe – aber man muss damit endlich mal anfangen, mit der Friedenslogik).
Der Artikel auf S. 3 startet wuchtig mit den Antithesen: Bundespolitik und Medien redeten nur noch von neuen Waffensystemen – manche „fabulieren“ über einen „Sieg über die weltweit größte Atommacht“, andere entschuldigten diese Atommacht wider alle Logik.
Während also Deutschland dieses Bild biete, sei es ausgerechnet der türkische Präsident, der erfolgreich VERMITTLER gespielt habe. (Ich möchte hier ausdrücklich auf meinen etwa gleichlautenden Artikel verweisen!!! Das passt!)
„Ohne Rüstung leben“ zieht das Fazit, die Prioritäten seien verschoben. Und: es gebe „verschiedene gute Vorschläge“ um das Sterben zu beenden, ohne „dabei die regelbasierte Weltordnung aufzugeben“ (Es geht, Frau Baerbock!).
Die Vorschläge seien:
Die südafrikanische Außenministerin beurteile den Angriff auch als völkerrechtswidrig, beharre aber auch darauf, dass der Krieg nur „auf dem Verhandlungswege beendet werden kann“. Sie sei entsetzt, dass die involvierten Politiker nicht in der Lage seien sich so zu benehmen, wie es die Südafrikaner am Ende ihres Bürgerkrieges getan hätten: sie hätten mit ihren früheren Apartheit-Unterdrückern „gesprochen“, sie hätten eine Lösung gefunden.
Dann hätten die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges(IPPNW) Vorschläge gemacht in ihrem Text „Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine“.
Dann gebe es den „Zehn-Punkte-Plan von Istanbul“, dann den Vorschlag Italiens und den des Vatikans.
„Ohne Rüstung leben“ subsumiert, es sei gemeinsamer Bestandteil aller Vorschläge:
Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien,
internationale Kontrollmechanismen,
Bündnisneutralität der Ukraine.
Notwendigkeit von Vermittlern.
Auch aus Deutschland gebe es professionelle Ratschläge: Das „Friedensgutachten“ der vier großen Friedensforschungsinstitute.
Ich hatte dies vor ca. 2 Monaten durchgesehen und es als sehr gemäßigt, aber in dieser Mäßigung in wenigen fundamentalen Punkten auch entschieden beurteilt. Auf dieser Linie liegt, dass die Autoren die Waffenlieferungen von hier als „nachvollziehbar“ beurteilen, aber gleichzeitig fordern, Russland „diplomatische Auswege aus dem Krieg“ zu zeigen.
Die Autoren fordern weiter einen Neustart für eine europäische Friedens- und Sicherheitsordnung. Sie urteilen, dass weltweit „längst ein neues, unkontrolliertes Wettrüsten“ im Gange sei, besonders bei Atomwaffen. Daraus leiten sie für Europa ab, Deutschland müsse die „nukleare Teilhabe“ beenden, im Austausch gegen die angedrohte Stationierung von Atomwaffen in Bjelarus. –
Fazit:
Ja, das ist das Grundmuster der Diplomatie, das Geben und Nehmen im gegenseitigen Kompromiss.
Halsstarrigkeit alter Männer, die sich von Eskalation zu Eskalation hochpuschen, in vermeintlicher Bündnistreue oder in Opferhaltung gemäß (falsch verstandenen) historischen Opfergängen, sind das Gegenteil von Diplomatie.
Autor dieses Artikels ist:
G. Jankowiak
Sodinger Str. 60
44623 Herne