(22.Juni 2022)
Als vor gut zwei Wochen in „heute-journal“ so getan wurde, als ob „Putin“ russische Erde von Schweden zurückzuholen plane, hatte ich schon gewettet, dass am 21. Juni NICHTS in dieser Sendung über die zweifache Bedeutung des 22. Juni kommen würde.
Gewonnen! (Aber ich freue mich nicht darüber!!!)
Übrigens kam auch in allen anderen von mir eingesehenen Fernseh- und Internet-Medien NICHTS zu diesem Tag.
Dafür wurden andere hochexplosive Kühe durchs Dorf getrieben. Ich zähle die jetzt mal so auf, wie sie wohl die russische Seite aufzählen würde:
- Kaliningrad (Königsberg) und Ostpreußen sind die letzte verbliebene Trophäe des 2. Weltkrieges. Gestern, also am Tag vor dem 22. Juni, fällt Litauen ein, dass da noch weitere Sanktionen vollzogen werden müssen, und sperrt den Transport mehrerer Artikel nach Kaliningrad.
- In Litauen führt Deutschland das militärische Kommando über die NATO-Truppe.
- Deutschlands Regierung veröffentlicht am Tag vor dem 22. Juni eine komplette Liste seiner Waffenlieferungen an Kiew – mit einer ähnlichen Begründung der Verspätung wie Litauen, das ja keine NEUEN Sanktionen umsetzte, sondern schon ältere.
- Der SPD-Vorsitzende Klingbein verkündet vor laufenden Kameras, dass Deutschland nun im Rahmen der ‚Zeitenwende‘ die „Führungsrolle/Führungsposition“ in Europa einnähme.
Besonders letzteres dürfte am Vorabend des 22. Juni in Moskau einschlagen —- aber vielleicht auch in Paris und London. Man erinnere sich, dass beide gegen die Neuvereinigung 1989 den härtesten Widerstand von allen Siegermächten leisteten; das damalige Russland, die Sowjetunion, machte übrigens diese Neuvereinigung erst möglich, als einseitige Vorleistung.
Vermutlich hat Herr Klingbein und die vom Krieg unbeleckte junge Generation der SPD das alles vergessen???
Was bedeutet all dies für eine Friedens-Führung?
ES handelt sich also beim Thema um Gedenktage. Gedenktage können Geschichte, Gegenwart oder die Zukunftsgestaltung zum Thema haben.
So haben wir ja von den Vereinten Nationen aus verschiedene Gedenktage, die an Aspekte der Zukunftsgestaltung erinnern sollen. Gedenktage der Gegenwart beziehen sich meist auf aktuelle Katastrophen.
Für die Friedens-Führung spielen besonders die planbaren Gedenktage eine Rolle, indem sie die Aufmerksamkeit möglichst Vieler auf ein Thema lenken sollen.
Der 22. Juni 1941 (und 1944) ist ein Gedenktag, der an einen der spektakulärsten Überfälle des demokratischen Zeitalters erinnern soll – so übrigens wie der 1.9.1939 oder – anderes Thema – der 6.8.1945 und der 9.8.1945. Diese Tage aus der unmittelbaren, kriegerischen Vergangenheit soll uns daran erinnern, die Lehren aus diesen Ereignissen zu ziehen.
Wenn ich nun hier versuchen würde, nur für den 22. Juni eine Darstellung der Lehren zu verfassen, würde diese DArstellung sehr lang, und – im Lichte des aktuellen Krieges – sehr kontrovers.
Deshalb lasse ich das hier, betone aber:
- Gedenktage gar nicht zu begehen, bedeutet, dass man sich der CHANCE begibt, für sich etwas zu lernen, auch in der Auseinandersetzung mit anderen Positionen, ja, mit Positionen des Gegners.
- Gedenktage nur in propagandistischer Art zu begehen, wie es sehr oft gerade von staatlich gelenkten Medien praktiziert wird, bedeutet ebenfalls, auf Lehren zu verzichten, denn Propaganda bedeutet ja in der Zielsetzung, einen Adressaten mit der eigenen Meinung zu über-reden. Propaganda ist also gerade nicht auf Dialog, Kompromiss, Empathie, Selbstkritik aus, sondern auf das Einhämmern der eigenen Positionen.
- Gedenktage scheinen mir im Sinne der aktiven Sorge um Frieden dann zu gelingen, wenn sie von beiden Seiten vorbereitet werden. Ein Beispiel wäre die gemeinsame Produktion von Erinnerungsmedien, wie Anfang der 90ger Jahre die gemeinsame russisch-deutsche Fernsehproduktion über den Krieg 1941-1945. Andere Beispiele wären die Wahrheitskommissionen oder die Schulbuchkommissionen, die ich am 12.6. in dem Artikel über das heute-journal und Frau Slomka genannt hatte.
Autor dieses Artikels ist:
G. Jankowiak
Sodinger Str. 60
44623 Herne