Beispiel: Berichterstattung über die NATO-Manöver Luftverteidiger („Air Defender23“)
Da waren doch gestern (12.6.) in allen drei von mir im TV konsultierten Sendern (Welt/ntv; Aktuelle Stunde; heute, 19 Uhr) überall Berichte über dieses o.g. Manöver. Auf Welt/ntv wie üblich eher als „Wehrmachtsbericht“, auf „heute“ ähnlich, nur weniger ausführlich. Aktuelle Stunde berichtete über den militärischen Teil wenig im Vergleich zu: den Auswirkungen auf die Ferien-Flugreisen „der Deutschen“. Das mit der Behinderung des Flugverkehrs kam auch auf den beiden anderen Sendern.
Also: erstes Merkmal für geistigen Tiefstand ist, dass man bezüglich der Folgen des NATO-Manövers über die Situation an der Spaß-Front, also bei den Urlaubsreisen, berichtet.
In keinem der Sender (Welt/ntv habe ich von 18.30 bis 18.45 Uhr verfolgt) kam der eigentlich notwendige gedankliche Schritt vor: Die „Feindlage“, also wie wohl das „Manöver“ beim Gegner ankommt, genauer: was der daraus für Folgerungen ableitet.
General Reichardt hat es kürzlich nochmals betont, auch bei General Kujat kommt das immer wieder: kein Entschluss ohne die „Feindlage“. Also: die Feindlage, die Feindlage, die Feindlage!!!
Und da unsere TV-Medien für diesen methodischen Schritt zu blöd oder zu feige sind, will ich das hier nachtragen:
Es soll sich bei „Air Defender“ um die größte Übung dieser Art seit Gründung der NATO handeln, also seit 1949!!!!
Selbst zu Hochzeiten der richtigen Blockauseinandersetzung, etwa 1983 also, oder 1979, dem Jahr des Einmarsches der Sowjetunion in Afghanistan, veranstaltete man keine Übung solcher Größenordnung, da diese ja beim „Feind“ auch entsprechende Reaktionen herausfordern kann. Und der „Feind“ damals war ja stark: allein schon seine riesige konventionelle Streitkraft, die von damals allen Staaten der „Warschauer Vertragsorganisation“ gestellt wurde, und die sich mitten in Deutschland befand. Für die Jüngeren: Die „Front“ war an der Elbe, etwas östlich Hamburg und Hannover!!!!
Also: selbst da wurde nicht eine so große „Übung“ veranstaltet. Meine Vermutung: weil der Gegner zu stark war, um ihn so zu provozieren.
Denn: Im Vergleich zu dieser Warschauer Vertragsorganisation (vulgo: Warschauer Pakt) ist Russland heute ja ein Zwerg —- mit Ausnahme seiner Atommacht.
Und diesen Zwerg kann man ja dann heute mal so richtig provozieren. Eine konventionelle Gegenwehr braucht man ja nicht zu befürchten, angesichts
– der im Vergleich zur Sowjetarmee kleinen russischen Armee;
– der weit im Osten liegenden Grenze
– der in der Ukraine gebundenen Kräfte der Russen
– der peinlichen anfänglichen Schwächen der russischen Armee und Führung.
Und dieses nassforsche Üben dürfte – aus Moskauer Sicht – nur der Anfang sein, denn – wie hier schon publiziert – rüsten alle NATO-Staaten ihre regulären Armeen auf und die NATO-Quick Reaction Force (Schnelle Einsatztruppe lt. Tagesschau vom 29.6.2022) wird von 40 000 im Jahre 2022 auf 300 000 etwa im Jahre 2025 ausgebaut.
Ich mag mir nicht vorstellen, was im russischen Generalstab unter „Feindlage“ für Berechnungen angestellt werden und welche „Manöver“ man dort aus dem Westen erwartet, wenn die Aufrüstung erst mal komplett ist.
Nachtrag zu den geistigen Tieffliegern der genannten Medien:
Keinem von denen scheint aufgefallen zu sein, dass „Air Defender“ am gleichen Tag begann wie die „lang ersehnte“ ukrainische (richtige) Gegenoffensive. (Gut, deren eigentlicher Anfang war ja umstritten, aber jetzt wurde es so berichtet, als ob dies der Beginn des Hauptteils der Gegenoffensive sei).
Autor dieses Artikels ist:
G. Jankowiak
Sodinger Str. 60
44623 Herne