Teil 2
‚Man könnte es wissen!‘ – Drei Beispiele für den MIK in der neueren deutschen Rüstungsgeschichte seit 1956 und ein Blick zurück
- „Holt Hartmann vom Himmel“ – eine populärwissenschaftliche Biographie des „erfolgreichsten“ Jagdfliegers des 2. Weltkrieges. Dort findet man am Ende ein Kapitel über Hartmanns Verwendung in der Bundeswehr. Hartmann – also technisch gesehen DAS absolute „Fliegeras“ – ist der Meinung, dass die noch junge Luftwaffe noch gar nicht reif ist für das äußerst sensible „Produkt Starfighter“ der US-Industrie. Hartmann protestiert also gegen dessen Anschaffung. Daraus entsteht eine Auseinandersetzung zwischen ihm und seinen Vorgesetzten. In deren Verlauf wird der erfolgreichste Jagdflieger entlassen. Im weiteren Verlauf mutiert der Starfighter zu einem Grab für Geld und ganz viele Piloten!!! Der Bundeswehrminister damals:
Das Ur-Gestein der CSU, der spätere bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß. Den Abschnitt zum Starfighter aus dem Wikipedia-Artikel zu Strauß (Version vom 22.3.’22) empfehle ich jedem, der sich für Wirtschafts-Krimis interessiert!!!!

- Alfred Mechtersheimer untersuchte die Anschaffung des MRCA Tornado wissenschaftlich im Rahmen einer Dissertation: „Rüstung und Politik in der Bundesrepublik, MRCA Tornado. Geschichte und Funktion des größten westeuropäischen Rüstungsprogramms“. Eine ungeheuer materialreiche Untersuchung auf wissenschaftlicher Basis, die die Warnungen Eisenhowers bewies und viele weitere Tendenzen aufzeigte – so u.a. die Tatsache, dass die übernationalen Rüstungsprojekte die demokratischen Entscheidungsgremien aushebeln können, indem sie immer auf Verträge mit anderen Staaten verweist, wenn die demokratischen Gremien kontrollieren und korrigieren wollen. (Auf Mechtersheimer spätere politische Orientierung als Konservativer ohne Atlantik-Orientierung, also Nationalist, soll hier nicht eingegangen werden.)
- Als der reichlich un-orthodoxe bis verwirrte bzw. interessengeleitete letzte US-Präsident ankündigte, er wolle die US-Truppen in Deutschland reduzieren, erhob sich ein Betteln und Klagen der Landkreise, in denen diese US-Truppen stationiert waren: Das wäre ein schwerer Rückschlag für die entsprechende Region, man solle die Truppen doch lassen. Wohlgemerkt: Die entsprechenden Politiker dieser Landkreise bitten darum, dass die fremden Truppen bei ihnen verbleiben, die im Ernstfall (worst case) genau diese Landkreise bei der Abwehr des „Feindes“ in eine atomare Wüste verwandeln würden. – Hier sind also ganze Landkreise wirtschaftlich abhängig vom Militär. Und man glaube nicht, dass in diesen Gebieten irgend jemand bei Wahlen kandidieren sollte, als Volks-Vertreter, der nicht vorher bewiesen hätte, dass der Vertreter der dortigen militärisch-industriellen Kräfte ist.

Von den 916 von der Bundeswehr beschafften F-104 stürzten insgesamt ein Drittel ab, wobei 116 Piloten ums Leben kamen. Dies brachte dem Flugzeugtyp sarkastische Bezeichnungen wie Witwenmacher, Erdnagel, fliegender Sarg oder Sargfighter ein. (aus:Wikipedia-Artikel zur F 104, Version vom 25.3.’22)
Oft hilft als Einstieg und Überblick zu diesen und weiteren Beispielen, wenn man die entsprechenden Wikipedia-Seiten durchliest – mit der Einschränkung, dass man ohne zusätzliches Wissen oft bei den verharmlosenden, Fakten und Begriffe selektierenden Artikeln der jeweiligen Autoren stehenbleibt.
Noch ein Nachtrag zu den Firmen, die sich heute besonders um Rüstungsmilliarden bemühen – aber natürlich wieder ein Klassiker:
Firmenhistorie , besonders pikant
Ja, RHEINMETALL, dieses Unternehmen ist echt „phänomenal“!
Es entstand wie die Firma KRUPP im Kaiserreich, aber gut 50 Jahre später.
Es kämpfte schon im Kaiserreich gegen KRUPP um Rüstungsaufträge – zumindestens für Krupp ist der Aufkauf von Konkurrenzunternehmen, Lobbyarbeit bei der Artillerieprüfungskommission und Verkauf von veralteten Produkten an die eigene Regierung belegt
KRUPP kam dann spätestens im 1. Weltkrieg in den Ruf des „Kanonenkönigs“ – RHEINMETALL konnte sich erfolgreich ducken
KRUPP ist heute nur noch als „Thyssen-Krupp“ in der U-Boot-Sparte ein Rüstungskonzern
RHEINMETALL ist eigentlich der heutige „Kanonenkönig“, zuständig für die „harten“ Teile der Rüstung, also gepanzerte Fahrzeuge:
Leopard 2, Panzerhaubitze 2000, Lynx, Puma …,
also die ganze restliche Raubtier-Familie, seitdem in der Nazizeit ja die „Panther“ und „Tiger“ für Fahrzeuge schon vergeben worden waren.
Und noch mehr Klassiker – aber aus der Ecke der Aufklärung
Und noch ein paar Klassiker, wenn man sich abseits von heutiger Verwirrung durch das Studium schon erforschter Zusammenhänge fit machen will:
George W.F. Hallgarten: Das Wettrüsten. Seine Geschichte bis zur Gegenwart. Frankfurt/M. 1967
George W.F. Hallgarten: Zur Geschichte der Abrüstung im 20. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Politik 7(1960), S. 93-109 (Hallgarten war ein Schüler von dem im Folgenden genannten Eckart Kehr.)
Senghaas, D: Rüstung und Militarismus. Frankfurt/M 1972
Kehr, E: Schlachtflottenbau und Parteipolitik. (…). Dissertation 1927, Nachdruck 1965. Ein Klassiker zum MIK der Kaiserzeit.
Autor dieses Artikels ist:
G. Jankowiak
Sodinger Str. 60
44623 Herne