These:
All die Kriege der letzten 15o Jahre haben jeweils die Saat zu neuen Kriegen gelegt, indem sie Spannungen erzeugten, die die jeweils nachfolgenden Friedensperioden überlagerten. Ja, man könnte fast statt des Begriffs „Friedensperioden“ von „Waffenstillstandszeiten“ sprechen
Folge:
Der jetzige Krieg sollte beendet werden, bevor er Resultate zeitigt, die dann wieder die nächste Friedensperiode/Waffenstillstandszeit überlagert.
Kurze Erläuterung:
Grundlage der Erwägungen hier sind die großen Kriege zwischen Europäern in den letzten 150 Jahren, also der Krieg von 1870 sowie der 1. und 2. Weltkrieg.
1870/71
Dieser Krieg endete mit der Abtrennung von Elsass-Lothringen von Frankreich gegen den Willen der dort ansässigen Bevölkerung, die Anteil hat an der Kultur Frankreichs und Deutschlands.
Diese Abtrennung sorgte von 1871 bis 1914 für Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Sie bot den Nationalisten und Militaristen beider Völker den Vorwand ihre Völker zu militarisieren und in feindliche Allianzen zu führen. – Besonders bemerkenswert ist die Allianz Frankreichs mit dem zaristischen Russland, einem Reich, das durch Rückständigkeit und Grausamkeiten wie die sogar seitens der Regierung provozierten Judenprogrome gekennzeichnet ist. Man beachte: die Nachfolgerin von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ verbündet sich mit der rückständigsten Monarchie Europas, weil sie einen erneuten Überfall Deutschlands befürchtet und selbst darauf aus ist, das geraubte Elsass-Lothringen zurückzuholen.
Die Allianzen führten wiederum im Juli 1914 in die Mobilmachungs-Automatismen. Diese führten dann in das vierjährige Abschlachten mit allen „Errungenschaften“ der Technik Europas, einschließlich des Gaskrieges, der ja an die Vernichtung von Insekten erinnert.
All dies führte zu einer Verrohung bei vielen Menschen, die dann Grundlage wurde für Haltungen, wie sie den Faschismus kennzeichnet: Abwertung von Menschengruppen, Glaube an die heilende Wirkung von Gewalt(„Stahlbad“), Menschenvernichtung.
1914-1919
Diese bis dahin neuen Arten der Massenvernichtung von Menschen führt zu einem Friedensschluss, der von dem Gedanken der Rache geprägt ist. Die Härten des Vertrages von Versailles sind nun für die Nationalisten und Militaristen in Deutschland der Vorwand einen neuen Krieg vorzubereiten mit neuen Methoden und neuer Technik, mit dem diese Leute den Stellungskrieg im Westen des 1. Weltkrieges vermeiden wollten.
1939-1945
Hauptresultat des Krieges ist die Spaltung Europas mitten durch den besiegten Aggressor, die Blockbildung und die Aufstellung zweier deutscher Armeen in den jeweilen Blöcken. In jedem der beiden Blöcke führt nun eine Atom-Macht, die im Westen völlig außerhalb Europas liegt und die im Osten nur zur Hälfte europäisch ist.
Es ist nur dem Glück und einigen besonnenen Leuten zu verdanken, dass diese Blöcke mit ihrer Kapazität zum mehrfachen atomaren Overkill nicht damals schon sich und den Rest der Welt (über den Fallout und den nuklearen Winter) vernichteten. Gerade jetzt sollte man zwei der Besonnenen nennen: Archipow und Petrow (s. Wikipedia zu ihren Leistungen)
Vorläufiges Resultat der Untersuchung des „Erfolgs“ dieser Kriege
Jeder dieser Kriege und der durch sie geprägten Friedensschlüsse/Waffenstillstandszeiten hatte das Potential zu einem neuen Krieg zu führen, der wieder die ursprünglichen Probleme nicht löst. Ja, ich bleibe dabei, dass jeder dieser Kriege das Potential hatte, denn dass es bis 1989 nicht „geknallt“, hat, ist eine Kettung glücklicher Umstände, übrigens auch ökonomischer („Wirtschaftswunder“)
Folgerung aus diesem Resultat
Es sollte am besten keine Kriege geben, diese verschärfen nur die Probleme, durch die sie entstanden sind. Naiv? Nun, man kann sich dies sich in verschiedenen Szenarien zu möglichen Kriegs-Beendigungen jetzt im Ukrainekrieg vorstellen, von denen ich hier nur zwei Extreme nennen will, damit man weiß, was gemeint ist.
- Sieg Russlands nach einem Durchbrechen der ukrainischen Front und Zerschlagung von Großteilen der ukrainischen Kampfeinheiten Russland müsste die gesamte Ukraine besetzen, auch um seine Ziele der „Denazifizierung“ und „Demilitarisierung“ (die wir im Februar 2022 für falsch hielten und auch heute halten) zu sichern. Nur: es würde ein langer Guerillakrieg entstehen, der Russland zwingen würde, Truppen im ganzen Lande zu verteilen. Der Unterhalt dieser Truppen (und ihre Verluste) wären ein dauernder Aderlass für Russland, das ja auch weiter mit Sanktionen belegt sein würde. Basis für den Guerillakrieg: die aus dem jetzigen Stellungkrieg verroht zurückkehrenden Kämpfer und ihre fortdauernde Unterstützung durch den Westen durch Rückzugsräume und Materiallieferungen
- Sieg der Ukraine mit Rückeroberung aller besetzten Gebiete Dauernde Unruhe in den „befreiten“ Gebieten, in denen ja wohl eine Mehrheit eher zu Russland tendiert(e). Besatzungsregime dort (ähnlich dem deutschen Besatzungregime bis 1914 in Elsass-Lothringen, den „Reichslanden“) unter maßgeblicher Beteiligung der durch den „Sieg“ fanatisierten und durch den Kampf verrohten ukrainischen „Spezialkräfte“., eventuell ethnische Säuberungen mit Massen von Flüchtlingen nach Russland. Notwendigkeit die neue Grenze massiv zu befestigen, da in Russland die „Revanche“ gepredigt wird. Basis der Entstehung dieser Revanche ist die Umfassung der russischen Westgebiete durch „den Westen“ und die Anlehnung Russland an China, welches sich (auch wegen der historisch)en Erfahrungen) nie wieder „dem Westen“ beugen will.
Mögliche Auswege aus dem angedeuteten Dilemma
Hier komme ich wieder auf das historische Beispiel Elsass-Lothringens zurück. Wie oben gesagt, waren diese Gebiete Vorwand für die Nationalisten und Militaristen beider Länder einen neuen Krieg zu riskieren. Diese Nationalisten und Militaristen hatten jeweils nur eine „Strategie“:
- die Deutschen: Stures Festhalten an der Einverleibung Elsass-Lothringens auch um den Preis eines neuen Krieges (mit den oben beschriebenen eskalierenden Konsequenzen)
- die Franzosen: stures Festhalten an der Rückeroberung Elsass-Lothringens auch um den Preis eines neuen Krieges (mit den oben beschriebenen eskalierenden Konsequenzen).
Es dürfte klar sein, dass beide Strategien kein Rezept zum Erfolg in unserem neuen, heutigen Krieg sein dürften. Man muss aber auch klar haben, dass andere Strategien, die notwendigerweise Kompromisse wären, sofort Reflexe bei den Beteiligten auslösen:
- bei den Russen: Jeder Kompromiss wäre ein Aufgeben von angeblich „heiliger“ russischer Erde, für die Blut vergossen wurde.
- bei den Ukrainern: Jeder Kompromiss wäre eine Belohnung des Aggressors und eine Ermutigung anderer Aggressoren (so, wie der Kosovo-krieg die Präzedenzfälle schuf, auf die sich der heutige Aggressor ehrlich oder vorgeblich beruft). Das vergossene Blut würde als vergebens vergossen propagiert werden..
Besonders die „Belohnung“ für den Aggressor durch Gebietsgewinne müsste auch für echte Pazifisten problematisch sein!!! Die Situation ist also durch das Blutvergießen komplizierter geworden, siehe auch die Bilanz der anderen Kriege oben.
Also jetzt endlich die „Lehren“ aus Elsass-Lothringen
Ich halte mich hier eng an die Vorschläge, die der französische Sozialist Jean Jaurès vor 1914 für den damaligen Dauerkonflikt nannte. Zur Erinnerung: Jaurès wurde am 31. Juli 1914 von französischen Nationalisten getötet, einen Tag vor der Kriegserklärung Wilhelms II. an Russland, also dem Beginn des 1. Weltkrieges.
Ich hatte Jaurès schon einmal in einem anderen Artikel im Mai 2022 behandelt: „Jean Jaurès und die Suche nach unkonventionellen Friedenslösungen“. Hier wiederhole ich seine Vorschläge für Elsass-Lothringen in meiner Übersetzung.
Diese Vorschläge soll Ihre Vorstellungskraft anregen für Friedenslösungen im Krieg Russland-Ukraine, damit nicht die oben skizzierten Extreme wirklich werden.
„Auf welche Art auch immer das Problem von Elsaß-Lothringen gelöst werden mag im Laufe von Generationen:
– (etwa) indem Elsaß-Lothringen, auf dem Wege einer Rückkehr, die frei und im Konsens erfolgt, eben diese Rückkehr zu Frankreich bewerkstelligt oder dass es im politischen Rahmen der deutschen Organisation eine sehr weitgehende Autonomie bekommt, die es ihm erlaubt alle traditionellen Kräfte seiner Kultur, alle Energien seines eigenen Geistes und alle Sympathien seines Bewusstseins zu entwickeln und zu harmonisieren;
– oder dass es am rechtlichen und nationalen Leben zweier großer Völker teilnimmt, wie die Bürger der latinischen Bundes, die in mehreren Städten, in mehreren Staaten des Bundes das Bürgerrecht hatten (was von Mommsen so meisterhaft beschrieben wurde);
– Oder weiter: dass es eines Tages seine klar erkennbare Vertretung, seine gesetzgeberische Autonomie in diesem großartigen europäischen Parlament hat, dessen Idee von unserem genialen Saint-Simon vor fast einem Jahrhundert skizziert wurde;
– Oder was auch immer letztendlich die unbekannte Formel sein mag, die alle nationalen Rechte und alle historischen Kräfte im großen Frieden der Welt, in der großen Freundschaft der Völker anerkennen und harmonisieren wird ———— es ist nur durch den Frieden, und durch den vorher zustande gekommenen Frieden, dass eine Lösung vorbereitet werden kann.(…)
Die Schwierigkeiten, die Frankreich von Deutschland trennen, können nur dann eines Tages eine gerechte und tief(greifende) Lösung erfahren, wenn Frankreich und Deutschland sich jetzt schon annähern zur Erreichung eines höheren zivilisatorischen Ziels, als ob diese Schwierigkeiten (schon) geregelt wären. Weit entfernt davon, dass das eine Abkehr von (nationalen) Erinnerungen und eine Zurückweisung des (Völker)Rechts wäre – es ist ein Akt des Glaubens an die Kraft des Rechts.“
Autor dieses Artikels ist:
G. Jankowiak
Sodinger Str. 60
44623 Herne