Trump und Ludendorff – es gibt eine Parallele !(10-03-25)


Nun, was soll es für Ähnlichkeiten geben zwischen dem brutal offenen US-Präsident, über den alle Medien berichten, und dem Generalstabschef des kaiserlichen Deutschland, den hier wohl kaum noch jemand kennt.

Es ist die Eile bei der Beendigung eines Krieges! Bei Ludendorff ist es eine Eile am Ende einer längeren Amtszeit, also eine Folge seines eigenen Handelns; bei Trump ist es die Eile ganz zu Beginn seiner 2. Amtszeit, er beendet radikal den Kurs seines Amts-Vorgängers.

Ob aus der Eile von Trump etwas Gutes entstehen kann, ist noch nicht abzusehen. Eventuell bringt es Erkenntnisse im Sinne von historischer Erfahrung, wenn man das abgeschlossene Kapitel mit Ludendorff beleuchtet.

Meine Kernthese zu diesem historischen Beispiel lautet: Wer entgegen vieler widersprechender Faktoren zu lange auf militärischen Sieg setzt, manövriert sich in eine ungünstige Position für Friedensverhandlungen, wenn der militärische Sieg ausbleibt, ja, wenn sogar ein Zusammenbruch der Front droht.

Ich will dies illustrieren auf der Basis der Schrift „Der 29.September 1918“. Der Autor ist höchst qualifiziert für diese Untersuchung: Es ist Ludwig Beck, im ersten Massenvernichtungskrieg (Weltkrieg) Offizier im Generalstab, später von 1935-1938 Chef des Generalstabes des Heeres. Beck schied wegen der abenteuerlichen Politik der Nazis auf eigenen Wunsch aus dieser Funktion aus. Ja, er schloss sich dann dem Kreis des deutschen Widerstandes an, der am 20. Juli 1944 versuchte Hitler und die Nazi-Organisationen zu beseitigen und den Krieg zu beenden. Während dieser Tätigkeit im Widerstand verfasste Beck 9 „Studien“ zu Krieg, Strategie und zur deutschen Politik im Umfeld des 1. Massenvernichtungskrieges.

Von Studie zu Studie gelang es Beck dabei, sich selbst aus den engen Anschauungen nationaler und militärischer Herkunft zu befreien. In der Studie „Der 29.September 1918“ revidiert Beck sein bis dahin durchweg positives Bild von Ludendorff, den er als junger Offizier sogar in des Wortes vollem Sinn verehrt hatte.

Was also hat es mit der Eile auf sich, die Ludendorff plötzlich Ende September 1918 vorlegte, nachdem er doch 2 Jahre lang zusammen mit Hindenburg Deutschland in eine Kriegsanstrengung geführt hatte, die er selbst wohl mit „Totaler Krieg“ bezeichnet hätte?

Und vorgreifend auch gefragt: Was hat es mit der Eile Trumps auf sich?

Ludendorff hatte von 1916-1918 den Krieg nach militärischen Gesichtspunkten mit dem Ziel eines „Siegfriedens“ geführt. Siegfrieden bedeutet zunächst, dass der Sieger bei Friedensverhandlungen dem Verlierer in größerem oder kleinerem Maßstabe seinen Willen aufzwingt. Konkret 1918 konnten die Westmächte vom kaiserlichen Deutschland bei einem Sieg erwarten, dass es ihnen seinen Willen im größeren Maßstab aufzwingen würde, denn Deutschland hatte ja schon gegenüber Rußland/der Sowjetunion einen Diktat-Frieden härtester Art durchgesetzt.

Für das Ziel eines Siegfriedens hatte man im Februar 1917 auch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg begonnen: Durch das Versenken aller Schiffe, die England anlaufen wollten, sollte der britische Durchhaltewille gebrochen werden. Dafür nahm man auch den US-Kriegseintritt in Kauf: Bedenken ob der industriellen Potenz der USA wurden beiseite geschoben, Wunschdenken herrschte auf den entscheidenden Konferenzen.

Wie man weiß, wuchsen die USA sehr schnell zu einem ernsthaften Gegner heran. Beck zitiert den französischen Generalissimus Foch, es seien (wohl zu Beginn 1918, G.J.) monatlich 250 000 US-Amerikaner nach Europa transportiert worden – und das über einen Ozean, den ja – nach dem Wunschdenken – die deutschen U-Boote beherrschen sollten.

Wäre es der kaiserlichen Führung um einen Verständigungsfrieden gegangen, so hätte sie zur Erreichung desselben gerade im Jahr 1917 eine gute Ausgangsposition gehabt:

– Rußland war spätestens nach der Oktoberrevolution aus der Allianz gegen Deutschland ausgeschieden. Damit hatte der Zweifrontenkrieg aufgehört!

– Fast die gesamten vorher gegen Rußland eingesetzten Truppen konnten nun zur Westfront transportiert werden: kampferprobte Truppen, im Gegensatz zu den neu aufgestellten US- Verbänden.

– Die deutschen Heere standen „tief im Feindesland“, wie man damals sagte. Sie hatten also belgisches und französisches Land besetzt, ein ideales Tauschobjekt für Friedensverhandlungen.

  • Das französische Heer hatte 1917 eine Phase von Meutereien hinter sich gebracht, war also nur eingeschränkt offensivfähig.
  • Nach den Schlächtereien von 1914-1916 war „Frieden“ populär: so gab es im Herbst 1916 und Frühjahr 1917 mehrere Friedensinitiativen, u.a. vom Vatikan und vom deutschen Verbündeten, dem neuen österreichischen Kaiser Karl. Der deutsche Reichstag war genötigt gewesen auch etwas zum Thema beizutragen: Die „Friedensnote des Reichstages“ war aber eher ein Dokument des Siegfriedens – es wurden keinerlei Bereitschaft angedeutet, dass man bereit gewesen wäre zu Kompromissen. Letzteres ist aber der Kern eines Verhandlungs-Friedens.

Das Kaiserliche Deutschland wollte also den Siegfrieden. Dafür wurde der U-Boot-Krieg bis zur Erschöpfung der U-Boot-Waffe weitergeführt. Zu Lande begann im März 1918 – gut ein Jahr nach dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg – eine in mehreren Abschnitten gestaffelte letzte Offensive, bei der auch die frei gewordenen Truppen aus dem Osten eingesetzt wurden. Die Offensive hatte überraschende Anfangserfolge, aber hören wir Beck, den überragenden Fachmann, in seiner Einschätzung dieser Erfolge:

„Die Frühjahrsoffensive beiderseits St-Quentin, die am 21. März begann und fast bis Amiens vordrang, war taktisch ein gewaltiger Erfolg, strategisch blieb ihr eine nachhaltige Wirkung versagt. (…) Staatsmann und Feldherr hatten sich an die tatsächliche Lage zu halten und aus dem Ausgang (der Offensive, G.J.) eine Zwischenbilanz zu ziehen. Der Feldherr hat das erste Wort. Er durfte noch weitere, vielleicht ähnliche Erfolge in Aussicht stellen, aber er hatte nicht nur die bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Verluste einzukalkulieren, sondern er durfte dem Staatsmann auch nicht vorenthalten, daß die Aussicht auf einen kriegsentscheidenden Erfolg geringer geworden, ja daß sie vielleicht endgültig vorbei war. Der Staatsmann hatte daraus die Folgerung zu ziehen. Er hatte fortan billiger zu spielen und durfte es nicht noch einmal dazu kommen lassen, erst aktiv zu werden, wenn die Plattform für ihn etwa noch ungünstiger geworden war.“ (S. 215. Fettdruck von mir, G.J.)

Vielleicht ist der letzte Satz Becks auf Anhieb nicht klar: „billiger zu spielen“ ist eine Metapher aus dem (Glücks-)Spiel, gemeint ist: mit weniger Einsatz spielen, weniger Gewinn erhoffen; Plattform meint hier die militärische Lage, von der als Basis der Staatsmann dann die politischen Schritte plant. Inhaltlich noch entscheidender ist die Stelle: „…durfte es nicht noch einmal dazu kommen lassen, …“. Hier meint Beck, dass der Staatsmann, also die Politik, viel zu spät aktiv wurde, nämlich erst nach Erschöpfung aller militärischen Reserven und Möglichkeiten und der Gefahr von erzwungenen Rückzügen und sogar von Durchbrüchen (S. 207).

Von hier fällt es vielleicht leichter, durch das historische Beispiel etwas von den heutigen Vorgängen zu begreifen. Etwa:

  • Die politische und militärische Elite und einige Medien der USA sprachen auch unter Biden schon viel freier von den Gefahren der militärischen Lage als die meisten unserer Medien hier (s.auch US-Generalstabschef Mike Milley).
  • Die Leute um Trump nahmen diese Gefahren doppelt ernst, weil sie ja in China den Hauptgegner sehen, für den man alle Kräfte braucht, Kräfte, die durch den 20-jährigen „Krieg gegen den Terror“ mit seinem blamablen Ende (Afghanistan) schon vor dem Ukraine-Abenteuer extrem gespannt waren.
  • Vermutlich hat Trump wirklich Sorgen um die „Heimatfront“ in den USA, die ja durch kaputte Infrastruktur und Kriminalität gekennzeichnet ist, und für deren schnellste Behebung seine Wähler den neuen Präsidenten haftbar machen.
  • Die Eliten und auch Trumps Leute standen immer inoffiziell in Kontakt mit den entsprechenden russischen Stellen. Sie erfuhren dort, dass Russland die Geduld ausging. Faktisch hatte Russland das ja durch den Einsatz von Oreschnik-Überschall-Raketen schon unterstrichen.
  • Die USA wussten auch sehr genau um den Mannschaftsbestand der Ukraine und die Qualität der neuen Rekruten. Sie rechneten sich aus, dass es bald zu einer militärischen Katastrophe kommen würde (erzwungener Rückzug zum Djnepr/Dnipro oder Durchbruch der Russen). Die bisherigen Waffenlieferungen aus dem Westen waren jeweils von den Russen bisher immer konterkariert worden.
  • Für einen „Sieg“ der Ukraine hätten jetzt neuartige, weitreichende, punktgenaue Waffen geliefert werden müssen. Davor hatte Moskau eindeutig gewarnt. Beweis ist Trumps öffentliche Äußerung, Selenskyj provoziere den „Dritten Weltkrieg“. Selenskyj dagegen hatte ja – wohl mit dem Ziel eines Siegfriedens – sogar schon die atomare Bewaffnung der Ukraine gefordert.
  • Die Weltanschauungs-Krieger aus Polen, Frankreich, GB und den baltischen Staaten nahmen diese Warnungen aus RU bisher nie ernst: man müsse Moskau nur genügend unter Druck setzen, es bluffe nur mit der Atom-Drohung.
  • Trump ist ein Interessen-Krieger, der als Großmacht-Politiker die Gedanken und Ängste der anderen Großmacht viel besser versteht: Nie würden die USA etwa ein Mexiko zulassen, welches sich auf ein Bündnis mit China zubewegt.

Aus all diesen und weiteren Gründen hat Trump jetzt so öffentlich inszeniert Druck gemacht und Eile angemahnt. Ein Nebenprodukt dieser öffentlichen Brüskierungen des ukrainischen Präsidenten: Die europäischen NATO-Länder kümmern sich jetzt um den „Fall Ukraine“, die USA sind raus, frei für ihre eigentlichen Gegner.

1918 hatte Ludendorff seit dem 28.September keine Besprechung, kein Telefonat und keinen Befehl ohne fast hysterische Forderungen nach Eile formuliert. Er handelte also ähnlich radikal, brüsk-brutal, alternativlos.

Gemeinsame Folge der „Eile“ seitens Trump und Ludendorff: Die politischen Folgen werden nicht beachtet, nachdem man zu lange rein militärisch gedacht hatte. Die politischen Folgen 1918 in der Einschätzung eines der damaligen Entscheidungsträger, des Außenministers (und Konteradmirals) v. Hintze:

„Die Beratung Hindenburgs und Ludendorffs mit Hintze fand am 29. September vormittags statt. Nachdem der letztere einen Überblick über die politische Lage gegeben hatte, führte Ludendorff unter anderem aus, die Lage der Armee erfordere den sofortigen Waffenstillstand. Die brüske Form dieser Forderung soll auf Hintze einen niederschmetternden Eindruck gemacht haben. Er nahm sie jedoch als gegeben hin, weil er höchste Gefahr im Verzuge annahm. Als Ausweg aus der damit entstehenden Situation, vor deren Folgen er eine katastrophale Wirkung für Heer, Volk, Reich und Monarchie befürchtete …“(Fettdruck wieder von mir, G.J. Siehe auch weiter unten die Einschätzung des neuen Reichskanzlers)

Am Ende stand als politische Folge Versailles!!! (Der Diktat-Frieden nach dem Muster des deutschen Diktat-Friedens gegen die Sowjetunion in Brest-Litowsk)

Die politischen Folgen heute:

Ungünstigste Startposition der Ukraine und der euroäischen Nato-Länder beim Aushandeln der Friedensbedingungen

Ungünstigste Position zum militärischen Durchhalten: 1918 wirkte die Absendung des Waffenstillstandsgesuchs an den US-Präsidenten Wilson auf die Front und die Heimat wie ein Schock. Denn die damaligen Medien (und ich sehe da durchaus Parallelen zu unseren Medien hier in Deutschland) hatte ja fast vier Jahre lang nur Siegesmeldungen herumposaunt. Jetzt gestand die oberste Führung die Niederlage ein! – Wie muss dem ukrainischen Soldaten an der Front zumute sein, der jetzt weiß, dass er im besten Fall mit einem Teil der bisherigen Hilfslieferungen auskommen muss???

Die Wirkung auf die politischen Partner von Trump und Ludendorff

Die Wirkung von Trumps Eklat wird von der konservativen schweizerischen Neuen Zürcher Zeitung mit einem „Schock“ charakterisiert.

Ähnlich ging es 1918 vielen in der militärischen und politischen Führung. Beck zitiert einen Gewährsmann:

„… ‚herrschte am Abend des 29. September in der kaiserlichen Umgebung stille Resignation, die aber von einer unverkennbaren Mißstimmung gegen General Ludendorff begleitet war‘. Freiherr von Leisner, der Beauftragte des Ausswärtigen Amtes bei der Obersten Heeresleitung, habe ihm erzählt, ‚die Heeresleitung habe den Waffenstillstand in einer Form gefordert, die einer Kapitulation ähnlich wäre.’“ (S. 208)

Mittlerweile hatte man den Reichskanzler gewechselt, jetzt war es Prinz Max von Baden. Dieser lehnte das Herausschicken des Waffenstillstandsgesuchs an Präsident Wilson ab: dieses werde „aller Welt die Augen über den ganzen Ernst unserer militärischen Lage öffnen und könne geradezu verhängnisvoll wirken.“

Prinz Max wollte vor einer Unterzeichnung des Waffenstillstandsgesuchs wenigstens mit den Parteiführern sich verständigt haben. „Diese Unterrichtung (der Parteiführer, G.J.) wirkte nicht nur niederschmetternd auf die Masse der Parteiführer, die bis dahin den Ernst der Lage nicht kannten, sondern sie ist auch durch zwei unzuverlässige Persönlichkeitne unter ihnen wenige Tage später, und zwar noch übertrieben, in Paris und Moskau bekanntgeworden.“(S. 210)

Welches Chaos der Nerven und der internen Kommunikation herrschte, mag noch folgendes illustrieren:

„Als bei dem am 2. Oktober abends in Berlin in Anwesenheit Hindenburgs (!) stattfindenden Kronrat Prinz Max sich gegen das Waffenstillstandsangebot aussprach, entgegnete ihm der Kaiser: „Die Oberste Heeresleitung hält es für nötig, und du bist nicht hierhergekommen, um der Obersten Heeresleitung Schwierigkeiten zu machen.“ – Besser kann man den fehlenden Primat des Politischen 1918 (und auch heute) nicht ausdrücken.

Fazit:

Wer zu lange auf das militärische Instrument setzt, dieses überlastet und politisch nicht früh genug auf Zeichen von Erschöpfung reagiert, wird dann ohne viele Alternativen um Waffenstillstand oder Friedensverhandlungen ersuchen müssen oder einen Frieden akzeptieren müssen, den er zuvor im Besitz eines „intakten Heeres“ (S. 207) nicht hätte akzeptieren müssen.

Kindisch auch die jetzige Forderung der europäischen NATO-Länder nach einem einmonatigen Waffenstillstand. Etwas Ähnliches war auch 1918 vom Gegner hohnlächelnd abgelehnt worden, der ja wusste, dass solch ein Waffenstillstand dem Gegner nur dazu dient, sich vom „Schock“ zu erholen und seine eigenen Kräfte zu stabilisieren.

Die Schrift „Der 29.September 1918“ ist enthalten in:

L. Beck: Studien. Hrsg. und eingeleitet von H. Speidel. Stuttgart 1955 (alle Seitenangaben beziehen sich auf dieses Buch)