Beispiele für Gegen-Experten IV: BICC


(Bonn International Center for Conflict Studies) (27-11-23)

Die Studie aus einem der vier großen Friedensforschungs-Institute zum Zustand der Bundeswehr:

„Verschwendet oder effektiv eingesetzt?“

Zum Thema Bundeswehr muss es gerade seit dem Februar 2022 Gegen-Experten geben, denn:

es gibt zu viele Leute, die Bedrohungen geradezu herbeireden. Manche dieser „Experten“ hatte man vor dem Februar gar nicht gehört, gelesen oder gesehen.

Vier große Organisationen sind es, die die Bundesregierung in einem jährlichen Gutachten über den stand der Friedensbemühungen unterrichten sollen. Sie legen deshalb jährlich ein Gutachten vor, ähnlich wie die sogenannten „Wirtschaftsweisen“.1

Eines der Institute, das oben genannte BICC, hat nun im Auftrag von greenpeace die Bundeswehr hinsichtlich Ausrüstung und Mannschaft mit der britischen und französischen Armee verglichen. Es kommt zu dem Schluss, dass aus dem Vergleich kein Beweis für eine Unterfinanzierung oder geringe Effizienz der Bundeswehr folgt, auch bis 2022 nicht.

Die geneigten Leser können in der Studie2 bequem eine Zusammenfassung lesen und dann sich einzelne Kapitel vornehmen zum genaueren Studium.

Methodisch Qualitäten der Studie

Ich will hier hauptsächlich darüber informieren, dass die Studie methodisch solide angelegt ist:

– Die Quellen, die die Autoren benutzt haben, sind solche ersten Ranges, und sie sind sehr zahlreich.

– Der Zeitraum, den die Studie umfasst, und hier besonders der Beginn. sind sachlogisch gut gewählt.

– Die Studie nennt im Sinne einer thematischen Beschränkung genau, was sie untersuchen will und was nicht. Sie weist darauf eingangs hin, aber auch zwischendurch, so etwa beim Kapitel „Beschaffungen“, wo sie selbst von einem „stark quantitativ orientierte(n) und notwendigerweise oberflächliche(n) Blick“ spricht.

– Sie sieht bei den einzelnen Ländern und den jeweiligen Unterthemen, wo Differenzierungen nötig sind: so etwa bei den Mehrausgaben für die atomare Rüstung in GB und Frankreich im Vergleich zu Deutschland; sie zählt zwar schwere Waffensysteme stückweise, weist aber direkt auch darauf hin, dass ein leichter Schützenpanzer in Frankreich etwas anderes ist als ein Flugzeugträger in GB.

– Sie zeigt an einigen Stellen eine über das Sozialwissenschaftliche hinausgehende Sachkenntnis des Militärischen. Beispiel: Die Ausgaben Frankreichs für die umfangreiche, paramilitärische Gendarmerie Nationale; der Zusammenhang zwischen der hohen Zahl (teurer) Offiziere und dem Reservistensystem in GB; die drei Haupt-Kriterien für die Qualität von Kampfpanzern im Kapitel „Landsysteme“.

Diese solide Methodik befähigt dann zu vielen richtigen Ergebnissen in den Unterthemen. Zu diesen gibt es zur leichteren Orientierung jeweils noch „Boxen“ mit dem jeweiligen Fazit.

Die Ergebnisse sollten von allen genauestens betrachtet und in der öffentlichen Diskussion verwertet werden. Dies ist deshalb so nötig, da ja auf der Gegenseite eine mächtige Allianz ihre Propagandakampagne weiter verstärken wird.

Diese mächtige Allianz besteht aus folgenden Hauptgruppen:

  • geschäftstüchtigen Waffenproduzenten
  • profitsüchtigen Inhabern von Aktien von Waffenfabriken
  • Teilen der Führung der Bundeswehr, die „natürlich“ immer das Beste wollen und auch von den Waffenfabriken immer mit den „neuesten“ Infos über „tolle“ Innovationen (bei sich selbst und beim Gegner) versorgt werden
  • Politikern, die zunehmend ohne gründliche Ausbildung und Sachkenntnis auf die „Argumente“ aus Wirtschaft und Militär hereinfallen. – Dies ist besonders bei denjenigen der Fall, die bis zum Antreten von Ämtern immer – der Parteilinie folgend – gegen Rüstung und Militär waren, und die jetzt als „Bekehrte“ (Konvertiten) immer umso eifriger beweisen müssen, dass ihre „Bekehrung“ ehrlich war.

Abschließend will ich im Sinne der Vollständigkeit und Unparteilichkeit der Studie darauf hinweisen, dass diese sehr wohl in zwei der untersuchten Bereiche Mängel feststellt: nämlich im Bereich der Verlegbarkeit von Verbänden, die sie am Ende behandelt und bei der Munitionsbevorratung. Allerdings:

Hier sehe ich eine schlechtere methodische Aufstellung der Studie, denn sie verlässt sich da – im Gegensatz zu den übrigen Abschnitten – auf nur eine Studie („Shurkin 2017“). Bei den Munitionsvorräten stützt sie sich bezüglich der Bundeswehr auf nur einen Zeitungsartikel aus der FAZ, einem Blatt, das immer für „erhebliche Dramatisierung“3 zu haben ist.

Fazit für die Friedens-Führung

Wir haben jetzt eine solide Untersuchung der finanziellen Ausstattung der Bundeswehr. Damit lässt sich „Dramatisierungen“ entgegentreten.

Auch Möglichkeiten der Einsparung bei Rüstungsvorhaben oder bei der Zusammensetzung von Streitkräften werden in der Studie genannt, insbesondere dann, wenn keine nationalen Egoismen dem entgegenstehen.

Weiter solide untersucht werden müsste, inwieweit die Profitinteressen privatwirtschaftlicher Waffenproduzenten Waffen über das sachliche Maß hinaus verteuern. Schließlich sind alle drei Vergleichsländer solche mit privatwirtschaftlichen Waffenproduzenten4. – Hier könnte auch ein Blick in historische Beispiele für Profitmaximierung den forschenden Blick heute leiten.

Ein besonders bemerkenswertes Zeichen von Profitmaximierung im Rüstungsbereich lässt die Studie kurz erkennen: Immer wenn – wegen Abrüstung oder Umrüstung, z.B. für den „Krieg gegen den Terror“ – eine Bestellung von x-Produkten reduziert werden musste, so stieg der Preis für die jetzt weniger zahlreichen Produkte. Dies stellt die Studie bei mehreren Waffen fest.

Etwaige Einwände der Waffenproduzenten, dass eine verringerte Abnahme ja auch bei sonstigen Geschäften zu Preissteigerungen/Konventionalstrafen führten, kann man bei den Waffenproduktion nicht gelten lassen. Denn: bei sonstigen Geschäften trägt ja der Auftragnehmer das Risiko, dass der Auftraggeber bankrott gehen kann. Dieses Problem besteht nicht, wenn der Auftraggeber der Staat ist. Des Weiteren werden die bekannten Preissteigerungen ja gerade bei Waffengeschäften vom Staat akzeptiert, was bei Auftraggebern aus der Privatwirtschaft nicht selbstverständlich ist.

Zusammenhänge zu weiteren Aspekten des Themas:

Ich verweise zu Artikeln über Gegen-Experten und Waffenindustrie auf solche aus diesem Blog hier:

– Ein Kriegsgrund der letzten 100 Jahre: Präsident Eisenhower zum Militär-Industrie-Komplex

– Gegen-Experten und Mode-Meinungen

– Beispiele für Gegenexperten bis 1933

– Beispiele für Gegen-Experten ab 1933

– Beispiele für Gegen-Experten: General Jochen Löser

– Private Profite durch Waffen – Ein ehemaliger Krupp-Direktor zur Waffenindustrie (Wilhelm Muehlon)

Zwei Klassiker (außer Eisenhowers Rede, siehe den Verweis oben):

Dieter Senghaas: Rüstung und Militarismus. Frankfurt/M 1972 (= 1. Auflage) mit dem Kapitel III: Die Konfiguration des amerikanischen Rüstungskomplexes;

George Thayer: War Business. Geschäfte mit Waffen und Krieg. Hamburg 1970 (deutsche Fassung des US-Originals von 1969

1Der Link zum Gutachten: https://www.friedensgutachten.de/ Dort dann das passende Jahr wählen.

2https://www.bicc.de/Publications/Other/Verschwendet-oder-effektiv/pu/14261

3Den Ausdruck verwendet die Studie selbst im Vorwort.

4Eine Art Wegweiser zu den Fragen, die dort zu untersuchen wären, liefert der unten bei den „Klassikern“ genannte Dieter Senghaas.


Autor dieses Artikels ist:

G. Jankowiak

Sodinger Str. 60

44623 Herne