Der aktuelle Anlass
Der erste Anlass, die Gedanken von General Löser hier in die Diskussion wieder einzubringen, sind die bisherigen militärischen und politischen Lehren des Ukrainekrieges.
Der bisherige Verlauf des Ukrainekrieges hat bisher folgende Lehre über den Kampfwert diverser Waffen gezeigt:
Ein Verteidiger in halbwegs vorbereiteten Stellungen mit tragbaren, leistungsfähigen Panzer- und Luftabwehrwaffen und einer guten elektronischen Kampfführung („Eloka“) kann einen überlegenen Gegner, der auf Offensiven mit Großwaffen baut, erfolgreich abwehren – oder zu mindestens lange aufhalten bzw. seine Offensivkraft stark schwächen, sprich: ihn abnutzen.
Auf diese Zusammenhänge, die man als“ „Stärke der Defensive „zusammenfassen könnte, habe ich vor Monaten schon im Artikel über Offensiv- und Defensivwaffen hingewiesen.
Auffällig in diesem Zusammenhang ist nicht nur die Schwäche des Kampfpanzers (wie in den Kämpfen vor Kijiv/Kiew im Februar und März), sondern auch das Schweigen der Berichte über operative „Luftschläge“ durch Flugzeuge, selbst Kampfhubschrauber. „Luftschläge“ werden nach diesen Berichten hauptsächlich mit unbemannten Flugobjekten, also Raketen und Drohnen, unternommen.
Hier scheint ein Phänomen wieder aufzutreten, das wir schon im Ersten und Zweiten Weltkrieg beobachten: die Obsoleszenz (Veralterung) von Großkampfmitteln. Das Riesen-Schlachtschiff wird ein leichtes Opfer von Flugzeugen (billig), Torpedos (billig) und Minen (noch billiger).
Sichtbarkeit und Größe produzieren „Opfer“!
Wenn man zu diesen militärischen Befunden noch den politischen Faktor nimmt, dass ein solcher Verteidiger selbst nicht fähig wäre als Erster eine Aggression auf das Terrain des Gegners zu unternehmen, so ist durch diese Befunde für eine politische Grundhaltung, die Krieg und Eroberung ablehnt, viel gewonnen.
Genauer: Wenn ein Aggressor sich nicht davon abbringen lässt mich anzugreifen, und ich ihm während der Abwehr deutlich mache, dass ich ihm den Erfolg verwehren kann, so entmutigt das sicherlich mögliche Staaten mit Aggressionsabsicht.
Ich meine, sicher ein Beitrag zur Friedens-Führung!!!
Sicher werden prinzipienfeste Pazifisten mir nun vorwerfen, dass ich militärischem Denken und militärischen Methoden Vorschub leiste. Dazu möchte ich am Ende des Artikels oder in einem gesonderten Artikel Stellung nehmen. Hier eingeschoben, würde der Artikel zu lang und thematisch überladen
Lösers Ideen: Ein Konzept militärischer Art also?!!!
Ende der 70ger Jahre des vorigen Jahrhunderts drohte mit diversen konventionellen und atomaren Rüstungsschritten schon einmal ein Großer Krieg zwischen den damaligen Blöcken, ein Krieg, der sicherlich sofort oder spätestens nach konventioneller Unterlegenheit eines Blocks zum Atomkrieg geführt hätte.
In diesem Kontext veröffentlichte ein General der Bundeswehr, Jochen Löser, sein Buch: „Weder rot noch tot. Überleben ohne Atomkrieg – eine sicherheitspolitische Alternative“. Wie dieser Buchtitel schon sagt, ist sein Hauptziel die Vermeidung des Atomkrieges. Für dieses Ziel formuliert er eine andere Militärdoktrin als die damalige „Vorneverteidigung“. Diese sah ja grenznahe Verbände vor, die den Vormarsch des Gegners verzögern und dann zum Gegenangriff vorgehen sollten – mit den gleichen Kampfmitteln wie denen des Gegners, nur mit geringerer Anzahl. Falls diese keinen Erfolg gehabt hätten, wäre nur eine „Verteidigung“ mit Atomwaffen übrig geblieben, da sonst der Gegner das eigene Gebiet erobert hätte. Löser meinte, dass solch ein Konzept für die Soldaten, besonders die deutschen, wie auch für die Zivilbevölkerung selbstmörderisch wäre.
Hauptbestandteile seines Konzeptes, das er
„Raumdeckende Verteidigung“
nennt, sind:
- Verteidigung durch quasi autarke Verbände nicht nur an der Grenze, sondern auch in der Tiefe des Raumes
- Autark: Diese Verbände haben nicht den Grad der Motorisierung nötig wie die Großverbände, sie sind deswegen nicht so abhängig vom Nachschub, der „Logistik“. (Schwächen in der Logistik sollen ein Grund für die Misserfolge der russischen Armee in der Anfangsphase des Krieges gewesen sein; interessante Zahlenbeispiele zum Bedarf an Logistik einer Division bietet Löser).
- Statt dem Gegner mit den gleichen Waffen entgegenzutreten („Rohr gegen Rohr“ = Panzer gegen Panzer) Stärkung rein defensiver Elemente. Löser:
„Der Verteidiger kann die Vernichtungsschlacht meiden, den Angriff in zahllose kleine Gefechte auflösen, dadurch den Zusammenhang und den Schwung des Angriffs brechen und den Feind zwingen, viele lohnende Ziele zu bilden, während der Verteidiger selbst kaum zu sehen und zu bekämpfen ist.“ (Löser, J: Weder rot noch tot. Überleben ohne Atomkrieg. Eine sicherheitspolitische Alternative. München 1982 (2), S. 118.
Technische Entwicklungen machen diese defensiven Elemente stärker als die Mittel des Angreifers. Beispiel: Ein kleiner Trupp Infanteristen mit einer modernen Luft- oder Panzerabwehr kann mit einer billigen Waffe die extrem hochpreisigen Großkampfsysteme zerstören. Noch effektiver ist dies laut Löser, wo sich die Infanterie nicht selbst exponieren muss um zu schießen, weil Waffe und auslösender Mensch in Abstand voneinander aufgestellt sind. Die hierfür nötige Sensor-Technik hat sich auch im Ukrainekrieg als entscheidend erwiesen.
(Wer Lösers Gedanken kurz von ihm selbst zusammengefasst kennenlernen will, lese das Buch auf den Seiten 131-133.)
Das Konzept eines Schreibtischgenerals? Eines naiven Spinners?
Im Gegenteil: Löser war in kommandierender, beratender Stellung an Brennpunkten des II. Weltkrieges eingesetzt, wurde schwer verwundet (was unter Soldaten viel zählt …) und erhielt als Beweis all dieser Tatsachen das „Ritterkreuz“ – ist also Mitglied in einem für Militärs elitären Club.(Wer hierzu etwas aus militärischer Quelle wissen will, konsultiere www.lexikon-der-wehrmacht.de zur Person Lösers)
Er schrieb das Buch zusammen mit fünf Militärs aus dem Kreis von Stabsoffizieren.
Er führt auf den Seiten 155-166 diverse Militärs und Friedensforscher an, die Ideen im Sinne seines Konzeptes äußerten: der französische General André Beaufre, der französische (!) Offizier Ferdinand Otto Miksche; ja sogar Wehrmachtsgenerale, die später der Kopie von Rezepten des 2. Weltkrieges kritisch gegenüberstanden: v.Bonin, v. Manstein, Guderian (ja, ja, der Panzer-Guderian). Weiter C.F.v.Weizsäcker und Horst Afheldt, der kleine-autarke „Technokommandos“ fordert wie Löser selbst: er „will (…)die Schlacht vermeiden und eine atomare Eskalation verhindern“ (Löser in seinem genannten Buch auf S. 164). Dann: der österreichische General E. Spannocchi und der französische Oberst Brossolet.
Spannocchi übrigens hat sein Konzept für das Heer des NEUTRALEN Österreich sogar Ende der 7oger Jahre in die Wirklichkeit umsetzen können: Das Konzept der „Raumverteidigung“. Im Internet kann man Einzelheiten zu diesem in den 80ger Jahren umgesetzten Konzept finden.
Fazit:
Wer nach militärischen Ergänzungen eines hoffentlich umfassenden Konzepts von Frieden in Europa sucht, der konsultiere Löser und die anderen genannten Quellen.
Autor dieses Artikels ist:
G. Jankowiak
Sodinger Str. 60
44623 Herne